Zwischenstand Prozess Dellmensingen

[Hinweis: Der folgende Text entstand in Zusammenarbeit mit Robert Andreasch vom A.I.D.A Archiv München. Die Zitate aus dem Gerichtsaal gehen auf seine Mitschriebe zurück, ohne diese wäre dieser Text nicht möglich gewesen.]

In diesem Text wird ein Zwischenstand eines aktuell laufenden Prozesses dargestellt. Es sind fünf Personen angeklagt, die einen Brandanschlag auf Menschen mit Romani-Hintergrund in Dellmensingen Ende Mai 2019 begangen haben. Dabei warfen sie eine Fackel, die nur knapp neben einem Wohnwagen landete. Alle Fünf Personen haben einen Bezug zur SSV Ulm Fußballfanszene. Mehr Hintergründe zu dieser Tat gibt es in unserer Chronik Rechter Umtriebe Ulm 2019, oder in mehreren Medien z.B. Spiegel oder Taz.

Diese Woche wurde am Montag den 06.07.20 und Mittwoch dem 08.07.20 im Prozess gegen 5 Angeklagte wegen eines Fackelwurfes auf eine Romn:ja Familie Ende Mai 2019 verhandelt.

Es ging unter anderem um die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten. Einer von ihnen, Robin D., fiel bereits in seiner Schulzeit mit extrem rechten Äußerungen auf. Dies geht deutlich aus einem vor Gericht vorgelesenen Schreiben der Schule hervor:

„Robin hat die dunkelhäutige…“Neger, Baumwollepflücker, Latina Bitch“ angesprochen, im Unterricht Nazi verherrlichende Äußerungen, und es wurden rechtsradikale Lieder angestimmt. Adolf Hitler wurde als Onkel Adi verharmlost, Judenwitze erzählt, mit Hitlergruß gestreckt; Zahlen werden in nationalsozialistischen Zusammenhang gebracht, Robin spricht davon einen neue NSDAP gründen und Juden vertreiben zu wollen.“

Der Angeklagte widersprach teilweise diesen Angaben. Er verharmloste sie als „Dummgeschwätz“ oder „Witz“ und stellte die Beleidigungen als Streit mit einer Exfreundin dar.

Pressebericht dazu hier

 

Instagram: extrem Rechte Codes und Kampfsport

Am 08.07.20 wurde unsere Recherche vor Gericht thematisiert. Es ging um einen Maximilian F., einem Freund mehrerer Angeklagter. Dieser zeigte sich auf seinem Instagram Account als offen extrem rechts mit Fotos von Waffen, dem Folgen einschlägiger Accounts und einem Demo Bild. Er tauchte auch am dritten Prozesstag am Kornhaus auf, was wir in einem Tweet veröffentlichten.

Im späteren Verlauf des Prozesses sagte Maximilian F. als Zeuge aus, die Nebenanklage äußerte Bedenken bezüglich der Glaubwürdigkeit des Zeugen im Kontext dieser Informationen.

Zur Sprache kam auch der Instagramaccount einer der Angeklagten, Dominik O.

 Sein Benutzername enthält den Zahlencode 1347. Das steht für die Buchstaben „MDG“  eine Abkürzung für „mit deutschem Gruß“ und wird seit Jahren von Expert:innen, Medien und Behörden zu Codes der extrem rechten Szene gezählt.

Das Titelbild zeigt Dominik O. und Leo B. mit einer dritten Person mit Boxhandschuhen und in Boxerpose. Vermutlich ist dieses Bild nach der Haftentlassung aufgenommen.

Instagram Profilbild aufgenommen nach der Haftentlassung

Dieser Account wurde durch den Angeklagten bis Dienstag den 07.07.20 genutzt. Er löschte ihn auf Anraten seines Anwalts.

Mehmet Daimagüler, der Vertreter der Nebenklage, erwähnte, dass er durch eine anonyme Quelle in Dellmensingen die Information bekommen hat, dass Dominik O. folgendes geäußert hätte (vermutlich auf seinem Instagram Account) :

„Ein Deutscher, der kein Kampfsport macht ist kein Patriot.“

Mehmet Daimagler stellte aufgrund dieser und weiterer Details die gezeigte Reue und Distanzierung zu rechtem Gedankengut von Dominik O. in Frage.

Immer wieder Fußball und Hooligans

Erneut kam diese Woche der Fußballbezug einiger Angeklagter zur Sprache.

Robin D. erhielt einen Brief eines Mitglieds der VfR Aalen Fangruppe „Classics“, in dem von mehreren Schlägereien im Fußballkontext die Rede war.  Sowie, dass die VfR Aalen Fanszene ebenfalls ein Solidaritätstransparent für die Angeklagten bei einem Spiel gegen Bahlingen im Jahr 2019 präsentiert hätte. Vor Gericht wurde ein entsprechendes Foto gezeigt.

Am Mittwoch wurde ein Chat von Dominik O. mit einem Lukas verlesen, in dem er auf die Frage, ob er mit auf ein Fest kommen würde folgendes äußerte:

„Egal ich bin Hooligan, ich darf nicht auf so Feste, ich muss heut noch auf den Acker.“

Auf den Acker gehen bedeutet in der Hoolsszene, dass sich rivalisierende Hooligangruppen außerhalb von Stadien gezielt verabreden, um einen Kampf auszutragen. Typischerweise treten dabei gleichgroße Teams in farblich unterschiedlichen Trikots an.

Ebenfalls am Mittwoch wurde ein Foto von den drei Angeklagten  Max P., Julian F. und Dominik O. mit zwei umgedrehten Flaggen gezeigt. Eine vom 1.FC Köln, die andere vom VfB Stuttgart. Darauf zeigen mehrere den Hitlergruß. Dazu, wie sie an die Flaggen kamen, schweigen alle befragten. Genaueres ergab die Auswertung des Handys von Dominik O.

„Es kam raus dass (Dominik O.) ne Kölnfahne geklaut hat oder gezogen hat und dabei nen mast ganz abgerissen hätte. (Leo B.)  fragte: „Szene?“ und (Dominik O.) meinte „Nein aber Jude ist Jude.“

Das klauen anderer Fansachen wie Fahnen, Tshirts oder Schals ist weit verbreitet in der Hooligan- und Ultra-Szene.

Am 19.04.2019 gab es einen Kurzen Chat Verlauf zwischen Dominik O. und dem nicht angeklagten Maximilian F.

„22.47 Uhr Dome: „Hats Du Bengalos daheim?“ Maxi: „nee warum?“ Dome: „Adolf hat in einer Stunde Geburtstag“

0.31 Uhr Dome schickt ein Bild: „Alles gute zum Geburtstag, Adolf.“ Es zeigt Adolf Hitler.“

Bengalos sind Rauchfackeln, der Einsatz von solcher Pyrotechnik ist ein klassisches Merkmal von Ultras und Hooligans. Außerden zeigen diese Chatverläufe  nochmal eindeutig die rassistischen, antisemitischen und den Nationalsozialismus verherrlichenden Positionen der Angeklagten im Zeitraum vor der Tat.

Am Montag wurde ein Protokoll der Winterfeier der Donaucrew im Gericht verlesen. In diesem Protokoll von einem Treffen am 23.02.2019 in den Drei Kannen ist dokumentiert, dass vier der Angeklagten an diesem Abend anwesend waren. Auch Leo B., der zuvor vor Gericht behauptet hatte, nur 2017 aktiv in der Ulmer Fanszene gewesen zu sein. An dem Abend wurden laut Protokoll zwei der Angeklagten offiziell Mitglieder der Donau Crew. Die Donau Crew wurde 2008 gegründet und stellt sich eindeutig als Hooligangruppe auf ihrer eigenen Website dar.

 

Schon zuvor, am neunten Prozesstag, hatte der szenekundige Beamte der Ulmer Fußballszene eine ähnliche Einschätzung abgegeben. Ihmnach waren 4 der 5 Angeklagten als Kategorie C Fans, also gewaltsuchende Fans, eingestuft worden. Wir berichteten.

Presseberichte dazu hier und hier

Beziehungsabbruch

Einer der Angeklagten bekundigte seine Distanzierung sowohl von freundschaftlichen Beziehung zu den anderen Angeklagten als auch zum Fußball oder extrem rechtes Gedankengut. Auf die Frage warum er das mache so antwortete er:

„Weil ich einen Neustart hinlegen möchte.“

In Seiner Untersuchungshaft gab es Gespräche mit einer Ausstiegsberatung.

Presseberichte dazu hier und hier

Alle anderen Angeklagten sind weiterhin befreundet und verbringen ihre Freizeit laut eigener Darstellung gemeinsam mit (Kampf)Sport, Angeln oder Glücksspiel.

 

[Ergänzung: Die SSV Ultra Gruppe Nebulosa Imperio hat sich heute öffentlich von den Tätern distanziert „die Täter des Fackelwurfs auf eine Roma-Familie in Dellmensingen als Mitglieder der ,,Ultras“ bezeichnet werden. Diese Behauptung ist schlichtweg falsch!“
Das verdeutlicht wieder einmal: Mindestens 4 Täter sind nicht nur Ultras oder Fußballfans. Sie sind Hooligans.
Gesamtes Statment hier
 ]

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