Zwischen Trauer und Hetze – Beobachtungen zum Gedenken am 05.12. & 06.12.2022 an die Opfer des Messerangriffs in Illerkirchberg

Kerzen auf dem Boden des Tatorts. Menschen im Dunkeln darum herum.
Gedenken am Tatort in Illerkirchberg am 06.12.22

Am Morgen des 05. Dezember kam es im Illerkirchberger Ortsteil Oberkirchberg zu einem Messerangriff, bei dem zwei junge Mädchen verletzt wurden. Eine 14 Jährige erlag im Laufe des Tages ihren Verletzungen. Der Tatverdächtige floh in ein nur wenige Meter entferntes Haus und wurde dort später vom SEK festgenommen. In diesem Haus in Illerkirchberg lebten zu dem Zeitpunkt laut Angaben der Schwäbischen Zeitung zehn Geflüchtete. Das und die eritreische Herkunft des Tatverdächtigen lösten ein rechtes Medienecho aus. Diverse extreme Rechte, von AfD über einzelne Identitäre bis hin zur NPD, griffen in Artikeln, Social Media Posts und auf Telegram das Thema auf und skandalisierten die Tat.


An den Abenden des 05. & 06.12. kamen jeweils rund 100-200 Menschen zum Gedenken am Tatort in Illerkirchberg. Dazu aufgerufen wurde auch in Telegramkanälen, die dem Querdenken-Spektrum zuzuordnen sind. Die beiden Gedenkabende unterschieden sich stark.


Am 05.12., direkt am Abend der Tat, war die Stimmung vor Ort angespannt. Polizei hatte sich vor dem Eingang des Hauses postiert. Presseteams von SWR und WELT wurden von Versammlungsteilnehmenden mehrfach u.a. als Lügenpresse beschimpft und bedrängt, bis diese ihre Arbeit einstellten und die Versammlung verließen.
Nicht für alle Teilnehmenden schien das Schicksal der Betroffenen, deren Familien und deren Umfeld im Vordergrund zu stehen. 
Neben offensichtlich trauernden Menschen im Kerzenschein, waren auch der Neu-Ulmer NPD Vorsitzende Achim Kast mit einigen anderen lokalen Neonazis, sowie der Ulmer Stadtrat Markus Mössle mit Lebensgefährtin Teil der Versammlung. Der allgemeine Tonus der Gespräche vor Ort richtete sich gegen Geflüchtete speziell in Illerkirchberg und allgemein, gegen die Bundesregierung und die „Lügenpresse“.  Es kam zu einzelnen wagen Äußerungen von Gewaltfantasien in die Richtung des Hauses, in dem der Tatverdächtige Zuflucht gesucht hatte. Anfangs kritisierten einzelne Teilnehmende derartige Äußerungen. Es ginge hier schließlich um das Gedenken an die Verstorbene. Doch die Menge fokussierte sich weiterhin auf die Herkunft des Tatverdächtigen. Einzelne Personen, die Kritik geübt hatten, verließen die Versammlung. 

Am Abend des 06.12. kamen erneut viele Menschen am Tatort in Oberkirchberg zusammen. Die Versammlung war ruhiger als am Abend zuvor. Einzelne Mitglieder des Querdenkenspektrums und der AfD waren in den Ortsteil von Illerkirchberg gekommen. Von der Wut und dem Hass des Tages zuvor war kaum etwas zu spüren. Trauer und Betroffenheit prägten die Stimmung vor Ort.

Das Haus in dem zehn Geflüchtete untergebracht waren, ist inzwischen versiegelt. Ein Einsatzwagen der Polizei war davor postiert.


In den vergangenen Wochen waren Geflüchtete und ihre Unterbringung vermehrt Thema in der Region. Es sind neue Unterkünfte in den Randbezirken und im Umland von Ulm und Neu-Ulm geplant, was auf Gegenwehr von Anwohner:innen stößt. Zu dieser feindlichen Grundstimmung summieren sich nun die aktuelle Debatte um das neue Asyl- und Migrationsrecht und die Gewalttat in Illerkirchberg. Diese Ausgangslage eignet sich sehr gut für die lokale und auch überregionale extreme Rechte zur Agitation und könnte den Nährboden für eine größere rechte Mobilisierung nach Illerkirchberg und Umgebung bieten. Die AfD Südwest plant laut Presseangaben eine Protestkundgebung. Deren Zeitpunkt ist zur Zeit noch nicht bekannt.

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