Auch 2021 blieb die AfD Akteurin extrem rechter Aktivitäten in Ulm und Umgebung. Der folgende Text ist eine Sammlung an Aktivitäten und Entwicklungen in den beiden Kreisverbänden der AfD Ulm/Alb-Donau und Kreis Neu-Ulm im vergangenen Jahr.

Neu-Ulmer AfD

Der Neu-Ulmer AfD-Verband strukturierte sich 2021 neu. Franz Schmid übernahm den Vorsitz von Gerhard Großkurth. Franz Schmid ist ein 21-jähriger Kinderpfleger aus Babenhausen und laut eigenen Angaben momentan hauptberuflich für die AfD tätig.[1] Neben dem Vorsitz im Kreisverband Neu-Ulm ist er stellvertretender Schatzmeister der Jungen Alternativen Bayern, Vorsitzender der Jungen Alternative Schwaben und Kreistagsabgeordneter im Unterallgäu. Schmid steht der Identitären Bewegung nahe. Auf Social Media folgt er zahlreichen Accounts bekannter IB-Mitglieder und liked ihre Beiträge. Seine Sympathien mit der Identitären Bewegung, die auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD steht, zeigt sich auch außerhalb des Netzes – so beteiligt er sich an einer Aktion der IB Schwaben am 18. Dezember 2021 in Pforzheim im Rahmen einer Demonstration des Querdenken-Spektrums. Mehr dazu im Kapitel „AfD und Identitäre Bewegung in Ulm“.

Abbildung 10: Franz Schmid hinten rechts im Frontblock der IB Schwaben am 18.12.21 in Pforzheim

Schmid nimmt seit November 2021 regelmäßig an den als „Spaziergänge“ getarnten Demonstrationen des Querdenken-Spektrums teil. Dabei ist er oft in Begleitung von Marcel Patzke, ebenfalls Mitglied des Vorstandes des Kreisverbands Neu-Ulm und Schriftführer der Jungen Alternative Schwaben. Der Werkstoffprüfer Marcel Patzke ist aktiver Teil der AfD Neu-Ulm. Innerhalb der AfD steht er dem extrem rechten Teil der Partei nahe. In einer öffentlichen Telegramgruppe schrieb er z.B. Folgendes:

„Weder bei Gauland noch bei Höcke gibt es etwas, wovon ich mich distanzieren müsste.“

Seit Sommer 2021 ist er wiederholt auf AfD-Veranstaltungen der Region anwesend gewesen, z.B.:

bei einem Auftritt von Höcke im Juni 2021 in Memmingen
bei einer Veranstaltung der Neu-Ulmer AfD am 25. Juni im Lokal Gut Holz in Neu-Ulm
beim Sommerfest der AfD Ulm/Alb-Donau im August 2021 ebenfalls im Gut Holz

Außerdem beteiligte er sich im Rahmen des Wahlkampfs zur Bundestagswahl 2021 an Infoständen der Partei. Laut Augenzeug:innen fotografierte er am 25.06.2021 und am 07.08.2021 mit Spiegelreflexkamera bei den Veranstaltungen im Gut Holz in Neu-Ulm den Gegenprotest ab.

Abbildung 11: Facebooklikes von Marcel Patzke

Auf Facebook gefällen ihm, neben üblichen AfD-Seiten, auch die Band „Blutkult“, die dem NSBM (National Socialist Black Metal) zugeordnet werden kann, und das „Hot Shower-Festival“, ein zentrales Event der NSBM-Szene in Europa, dessen Name als Anspielung auf die als Duschen getarnte Gaskammern in Konzentrationslagern verstanden werden kann.[2] „Blutkult“ ist das legale Projekt der NSBM-Band „KJL“, die Abkürzung steht für „Kaltes Juden Leder“ steht. Dem Namen entsprechend sind die Texte von „KJL“ von Vernichtungsfantasien gegenüber Jüd:innen geprägt.[3] Die nationalsozialistische Gesinnung wird bei der Betrachtung eines Bandmitglieds nochmals offensichtlich: Der Sänger von „KJL“ und „Blutkult“, Timo Purper, wurde 2005 wegen des Handelns mit Hakenkreuzfahnen verurteilt und nahm an neonazistischen Demonstrationen teil.[4,5] Neben Franz Schmid und Marcel Patzke befinden sich noch vier weitere Personen im Vorstand:

Stellvertretender Vorsitzer ist Ludwig Baur, Schatzmeister W. Kurz sowie Beisitzer B. Sailer und W. Borst [6]

Junge Alternative Schwaben

Im Oktober 2021 formierte sich die Junge Alternative Schwaben neu. Davor waren sie in der Öffentlichkeit zwei Jahre lang nicht mehr aktiv gewesen. Am 22. Oktober wählten sie laut eigenen Angaben in Babenhausen einen neuen Vorstand. Vorsitzender ist nun Franz Schmid mit seinem Stellvertreter Matthias Küchle. Schriftführer wurde Marcel Patzke, Schatzmeister Patrick Herkommer und Beisitzer Moritz Leuterer.

Abbildung 12: Junge Alternative Schwaben an ihrem (Wieder-)Gründungstreffen; von rechts: Moritz Leuterer, Marcel Patzke, Franz Schmid, Matthias Küchle, Patrick Herkommer Quelle: Facebookseite der Jungen Alternativen Schwaben

Recherchen von Allgäu≠rechtaußen konnten zeigen, dass Patrick Herkommer Verbindungen zur Neonazi-Skinhead-Kameradschaft „Voice of Anger“ hat. Außerdem bewegt er sich im Umfeld von Maurice Korndörfer, einem Bindeglied der Allgäuer Neonaziszene zum internationalen Hammerskin-Netzwerk.[7]

Raumsuche der AfD in Ulm

Für die Ulmer AfD war es in letzter Zeit schwierig geworden, öffentlich nutzbare Räume in Innenstadtnähe zu finden. Seit der Landtagswahl 2021 steht ihnen kein Parteibüro mehr zur Verfügung. Das ehemalige Büro in Söflingen schloss nach dem Verlust des Landtagsmandats von Daniel Rottmann. Sie wichen nach Neu-Ulm in die Gaststätte Gut Holz aus. Dort veranstaltete die Neu-Ulmer AfD bereits 2019 und 2021 Vorträge. Im Sommer fanden dort ein Stammtisch und ein Sommerfest der Ulmer AfD statt. Laut Informationen des Kollektiv.26, soll der Verpächter der Lokalität vom Kegelverein, dem Pächter des Gut Holz zum Ende des Jahres 2021 aufgrund dieser Veranstaltungen gekündigt haben. All das ist aus internen Emails der AfD Ulm und Chatverläufen, die uns vorliegen, nachvollziehbar.

Wahlkampf

Ein großer Teil der wahrnehmbaren regionalen Aktivitäten der AfD im Jahr 2021 war ihr Wahlkampf zur Landtagswahl in Baden-Württemberg im Frühjahr und der Bundestagswahl im Herbst.[8] Zur Landtagswahl in Baden-Württemberg traten in Ulm Eugen Ciresa und Joachim Dürre an. Der bis dahin amtierende Landtagsabgeordnete Daniel Rottmann wurde nicht erneut nominiert. Mit dem Kandidaten Eugen Ciresa, der dem „Flügel“ der Partei angehört, rückte die Partei öffentlich noch weiter nach rechts. Der im Verhältnis gemäßigtere Daniel Rottmann äußerte öffentlich, dass es für ihn im Alb-Donau-Kreis keinen Sinn mehr mache, zu kandidieren. Er verlegte seinen politischen Aktionskreis nach Freudenstadt bei Freiburg.[9] Eugen Ciresa und Joachim Dürre kandidierten sowohl für den Kreis Ulm als auch für Ehingen. Bemerkenswert ist, dass Eugen Ciresa im Interview mit der SWP äußerste, dass er Ehingen für den aussichtsreicheren Wahlkreis hielte, da Ulm „zu sehr links-grün geprägt“ sei.[10] Zu sehen war diese Gewichtung auch in den Wahlkampfbemühungen. In Ulm selbst wurden z.B. kaum Wahlplakate der AfD für die Landtagswahl aufgehängt und es fanden nur einzelne Infostände oder Flyerverteilaktionen statt.

Zur Bundestagswahl trat im Wahlkreis 291 (Stadt Ulm und Alb-Donau Kreis) Kristof Heitmann an.[11] Kristof Heitmann kommt laut eigenen Angaben aus Eutin und studierte Germanistik in Innsbruck. Dort war er zeitweise in einer FPÖ-nahen Burschenschaft aktiv. Heitmann war laut eigenen Angaben von 2016 bis 2021 Mitarbeiter bei Anton Baron (AfD) und seit 2021 persönlicher Referent von Bernd Gögel (AfD).

Abbildung 13: Kristof Heitmann in seiner Jugend in Norddeutschland Quelle: Kristof Heitmanns Facebookprofil

2019 wurde er in Geislingen an der Steige zum Ortsverbandssprecher gewählt und trat als Ersatzkandidat für die Landtagswahl Baden-Württemberg 2021 an. Er unterstützte den Landtagswahlkampf in Ulm im Januar 2021. Davor trat er in Ulm selbst nicht in Erscheinung. Im Wahlkampf im Dezember trat er bei großen Wahlkampfveranstaltungen der AfD sowohl in Neu-Ulm als auch in Ulm und Ehingen auf, jedoch gab es keine Wahlkampfstände der Partei in Ulm selbst. Heitmann selbst machte in der SWP deutlich, dass er sich aus den internen Konflikten des Kreisverbandes Ulm/Alb-Donau raushalten wolle. Er sähe sich selbst als gemäßigt innerhalb seiner Partei.[12] Im Rahmen des Bundestagswahlkampfes gab es vier größere Wahlkampfveranstaltungen in den beiden Wahlkreisen in Ulm, Neu-Ulm, Ehingen und Mindelzell. Neben den zentralen großen Veranstaltungen veranstaltete der Kreisverband Neu-Ulm einige Wahlkampfstände in Neu-Ulm selbst und in der Region. Der Kreisverband war in seinen Bemühungen generell aktiver als der benachbarte Kreisverband auf der baden-württembergischen Seite der Donau, der unseres Wissens nach keine Wahlkampfstände veranstaltete.

AfD und die Pandemie

Auch im zweiten Jahr der Pandemie blieb Corona ein zentrales Thema der Partei. Die AfD Neu-Ulm veranstaltete Ende Juni einen Vortrag mit Rainer Rothfuß über die Pandemie. Parteimitglieder sind als Einzelpersonen und Kleingruppen immer wieder auf Versammlungen aus dem Querdenken-Spektrum präsent. Bei der Demonstration der Gruppierung Klardenken Schwaben im März 2021 fungierte Markus Mössle als Ordner. Mitglieder der Partei sind regelmäßig an den unangemeldeten Demonstrationen, den sogenannten „Spaziergängen“, beteiligt. Neben Franz Schmid und Marcel Patzke sind auch ihr Parteikollege Matthias Küchle (Junge Alternative Schwaben), Markus Mössle mit seiner Lebensgefährtin sowie Andreas Härtel (AfD Ulm/Alb-Donau) dort vertreten.

AfD und Identiäre Bewegung in Ulm

Im Jahr 2021 gab es mehrere Veranstaltungen, Versammlungen und Aktionen, bei denen die AfD Ulm bzw. Neu-Ulm und Mitglieder der Identitäre Bewegung Schwaben gemeinsam auftraten.

Abbildung 14: Von links Nicolas Brickenstein (IB), Markus Mössle (AfD) und Nick Steger (IB) in Memmingen bei einer AfD-Veranstaltung mit Björn Höcke Quelle: Allgäu≠rechtsaußen

Im Sommer besuchten die Mitglieder der IB Schwaben (Nicolas Brickenstein und Nick S.) zusammen mit der lokalen AfD (Markus Mössle, seine Lebensgefährtin, Marcel Patzke) die Wahlkampfveranstaltung mit Björn Höcke in Memmingen.
Nicolas Brickenstein besuchte Ende Juni den Vortrag der Neu-Ulmer AfD im Gut Holz.
Am 30.11.2021 störte die Junge Alternative Schwaben eine Kundgebung der Grünen Jugend Ulm. Daran waren neben Nicolas Brickenstein auch Marcel Patzke und Franz Schmid beteiligt. Gegenüber Polizeibeamten äußerten sie als Begründung für ihre Aktion, dass ihre eigenen Veranstaltungen regelmäßig mit Gegenprotest gestört würden. Dabei wurde von Brickenstein gerufen:„Dieser Schuldkult ist einfach nur Schwachsinnig und schlecht, wir das deutsche Volk, wir haben Anrecht stolz zu sein“„…die Homopropaganda, die Homoehe und den ganzen Schwachsinn…“ „Wir werden nicht aufhören, das ist erst der Anfang. Wir stehen ein für unsere Werte. Wir verteidigen das Land.“
Am 18.12.2021 war Franz Schmid in Pforzheim Teil des Frontblock der IB Schwaben bei einer Demonstration aus dem Querdenken-Spektrum

Abbildung 15: Von links: Franz Schmid, Nicolas Brickenstein mit Megaphon, Marcel Patzke mit JA-Fahne stören am 30.11.2021 eine Kundgebung der Grünen Jugend

Bei den „Spaziergängen“ war zu beobachten, dass die Mitglieder der AfD Neu-Ulm bzw. der Jungen Alternativen Schwaben gemeinsam mit Mitgliedern der Identitären Bewegung daran teilnahmen. Franz Schmid, Marcel Patzke, Matthias Küchle, Nicolas Brickenstein (IB), „Heidi“(IB) und weitere Personen, die wir dem Umfeld der Identitären Bewegung zuordnen, liefen mehrmals als eine Gruppe im Demonstrationszug. Die inhaltliche und auch persönlich Nähe der AfD Ulm/Jungen Alternativen Schwaben und der Identitären Bewegung Schwaben ist weder neu, noch wirklich überraschend. Es existiert zwar ein Unvereinbarkeitsbeschluss der AfD mit der IB, doch scheint dieser nicht mehr als dazu zu dienen, den äußeren Schein zu waren. In Ulm selbst hat sich die Nähe schon in den Jahren zuvor wiederholt gezeigt. Das wiederholte gemeinsame Auftreten und auch der Umgang miteinander zeigen, dass sie persönlich vermutlich auch schon länger gut bekannt sind und regelmäßig zusammenarbeiten.