Fans des SSV Ulm 1846

’Unpolitische’ und extrem rechte Hooligans

Rechte Historie
(siehe Abbildung 2 in der Druckversion: SSV-Hool [20])
Der Angriff in Erbach-Dellmensingen reiht sich ein in mehrere extrem rechts motivierte Taten und Vorfälle, die seit Jahren in Zusammenhang mit der SSV-Fanszene stehen.
Bereits in den 1990er Jahren berichteten Ulmer Antifaschist:innen über Nazis in der
Szene. In den Jahren 1998 und 1999 sollen circa 60 Personen bei Spielen und Auswärtsfahrten ihre Gesinnung eindeutig mit Hitlergrüßen, Naziparolen,  Reichskriegsflaggen und Reichsfahnen gezeigt haben.[21]

Aktuelles
Das ist nun über 20 Jahre her. Seitdem gab es immer wieder Vorfälle. Hier ein paar
Beispiele aus den letzten Jahren:

2016: Beim Derby gegen den SSV Reutlingen wurden Banner mit den Inhalten „Seit 2016 Flüchtlinge in der Kreuzeiche?“ und „Seit 2005 Asylanten in Block E!“ gezeigt. Das erste Banner spielt darauf an, dass im Frühjahr 2016 im Reutlinger Stadion an der Kreuzeiche eine Notunterkunft für Geflüchtete eingerichtet wurde. Das zweite Banner ist eine rassistische Beleidigung gerichtet an den Block E, in dem die Ultras des SSV Reutlingen
stehen.[22], [23]

2018: Am 21.05.2018 gewann der SSV Ulm das Finale des WFV-Pokals im Gazi-Stadion
in Stuttgart. Auf der Rückfahrt kam es auf der Zugstrecke von Stuttgart über
Aalen nach Ulm zu mehreren Vorfällen. Aus einer Gruppe von rund 100 SSVFans
heraus haben einige antisemitische, frauenfeindliche und rassistische Parolen
geschrien, andere Reisende beleidigt, Hitlergrüße gezeigt sowie extrem rechte Lieder gesungen. In einem Artikel der Südwestpresse bestätigten mehrere Personen, darunter auch Fans des SSV, die Vorfälle und zeigten sich besorgt. Seit Jahren sei bekannt, dass es „stärker auftretende Gruppen gibt, die eindeutig der rechten Szene zuzuordnen sind“.[24]

2019: In Erbach-Dellmensingen kam es zu einem Mordversuch auf eine Familie mit
Romno-Hintergrund durch fünf Personen. Unter ihnen sind laut Presseberichten zwei Mitglieder der Ulmer Fanszene.[25], [26]

Wichtig ist hierbei jedoch eine Differenzierung, die auch schon Ulmer Antifaschist:innen in den 1990er Jahren gemacht haben: Es können nicht pauschal tausende Fans des SSV Ulm 1846 unter Generalverdacht gestellt werden. Es gibt auch Distanzierungen innerhalb der Fanszene, so haben sich die Fangruppen Nebulosa Impero 2010 und Supporters Ulm 99 im Mai 2016 von Spruchbändern, die beim Derby gegen den SSV Reutlingen gezeigt wurden, distanziert.[27] Es gibt Menschen, die „SSV Ulm Nazifrei“ an Wände malen. Es gibt Fangruppen und Ultras, die gegen Polizeigesetze und für soziale Themen Banneraktionen machen und im Fanblock hängt immer wieder eine Fahne mit dem Spruch „Niemand muss Bulle sein“, einem Zitat der sich offen antifaschistisch bekennenden Band Feine Sahne Fischfilet. Nicht zu vergessen ist auch, dass es einen Mord durch Nazis an dem SSV-Fan Arnold Eberhard am 21.10.1990 in Ludwigsburg gab. Geschehen ist dies im Kontext eines Basketballspiels, damals gehörte der heutige Erstliga-Basketballverein Ratiopharm Ulm allerdings noch zum SSV Ulm 1846.[28], [29] Der Kreis von offen extrem rechten Fans ist deutlich einschränkbar. Es sind vor allem Mitglieder der Hooliganszene, insbesondere der Gruppen Uniteds Ulm, Pubboys und Donau Crew. Einige ihrer Mitglieder sind in sozialen Netzwerken leicht auffindbar. Sie tragen Gruppen-T-Shirts, posten Gruppenfotos oder haben sogar den Namen ihrer Fangruppen tätowiert.

(siehe Abbildung 3 in der gedruckten Version): Uniteds Ulm mit Hitlergruß[20])
Wenn man sich anschaut, was von einigen eindeutig zuordenbaren Mitgliedern dieser Gruppen ins Internet gestellt wird, findet man eine offen zur Schau getragene extrem rechte Gesinnung: Von Likes für extrem rechte Parteien und Seiten, über das Tragen von extrem rechten Marken bis zu Hitlergrüßen, NS-Anspielungen oder Tattoos mit Schwarzen Sonnen bzw. Wehrmachtssoldaten. Siehe Abb. 2 und 6 Beachtenswert ist auch der Umgang mit Kritik von außen am SSV. So distanzierte sich die Gruppe Uniteds Ulm von dem Vorfall auf der Zugrückreise am 21.05.2018, kritisierte aber die Berichterstattung und sprach sich für „no politics at footballgrounds“ aus.[30] Die selbe Gruppe hat öffentlich einsehbare Bilder von 2015. Auf einem zeigt ein Mitglied einen
Hitlergruß. Siehe Abb. 3 Außerdem war das Uniteds-Mitglied Robert H. laut einem Datenleak beim Onlineshop OPOS Records Kunde und gab dabei die Emailadresse
„UnitedsUlm@web.de“ an.[31] OPOS Records vertreibt bis heute extrem rechte Musik im Genre NS-Hardcore, die Kampfsportmarke Greifvogel Wear und die Marke One Family. Die Label zählen zu Erkennungszeichen der Naziszene. OPOS Records unterstützt aktiv Neonaziveranstaltungen wie den Kampf der Nibelungen.[32]
Auch auffällig ist ein weiteres Mitglied der Uniteds, Sepp G., der vermutlich auf
mehreren Nazikonzerten der letzten Jahre war. Zu erkennen ist das an den Festival- T-Shirts, die er trägt. Daraus lässt sich schließen, dass er bei folgenden extrem rechten Veranstaltungen war:

  • Rocktoberfest am 15.10.2016 in Unterwasser
    in der Schweiz
  • Hate Live IV am 07.05.2016 in Hildburghausen
    in Thüringen

Außerdem belegen Fotos, dass Sepp G. und seine Frau Sabine G. das Rock gegen Überfremdung II in Themar (Thüringen) am 15.07.2017 besucht haben, eines der größten Nazikonzerte Europas. (Siehe Abbildung 4 in der Druckversion: Uniteds‘s Mitglied Sepp beim Rock gegen Überfremdung II inThemar [33])
Beide zeigen sich öffentlich mit eindeutigen Symbolen und T-Shirts. Sabine G. hat eine Schwarze Sonne an ihrem linken Ellenbogen tätowiert und beide tragen sogenannte
Divisions-T-Shirts, die es beim nationalsozialistischen Online-Shop Druck18 zu bestellen
gibt. (Siehe Abb. 6 in der Druckverssion)
Die Donau Crew, die sich mit zwei mutmaßlichen Tätern von Erbach-Dellmensingen solidarisierte, ist eng verbunden mit den Uniteds Ulm. Es gibt einige Fotos auf denen zusammen gepost wird. Auf der Webseite der Donau Crew heißt es:
„Gemeinsam mit den Uniteds Ulm ´97 werden wir weiterhin unbeirrt unseren
Weg gehen und dafür sorgen, dass Ulm trotz Erfolglosigkeit des Vereins eine Adresse in Deutschland bleibt.“[34] Auch von der Donau Crew zeigen einige Mitglieder offen Symphatien für extrem rechte Inhalte und tragen szenetypische Marken wie
Thor Steinar. Ein Mitglied postet Inhalte über Ian Stuart, Sänger der extrem rechten Band Skrewdriver in den 1990er Jahren und Begründer von Blood and Honor, ein mittlerweile
verbotenes extrem rechtes Netzwerk.Ian Stuart ist eine bis heute eine in der Neonaziszene zelebrierte Person. (Siehe Abbildung 5 in der Druckversion: Post von einem Song über Ian
Stuart [20])
Die Pubboys, von denen mindestens zwei Mitglieder beim Angriff in Erbach-Dellmensingen beteiligt waren, haben sich 2017 gegründet und im Sommer 2019 aufgelöst.
Insgesamt schätzen wir die Mitglieder und das engere Umfeld aller drei Gruppen zusammen auf circa 40 bis 50 Personen. Viele von ihnen sind vermutlich gewalterfahren und gewaltbereit und inszenieren sich als kampfbereite Männergruppen im Internet.

Fazit
Wie viele Vereine hat auch der SSV Ulm 1846 einige extrem rechte Fans. In unserer Wahrnehmung redet der Verein das Problem klein und schaut weg. Es gibt seit Jahren Diskussionen über die Einführung von Konzepten wie Fanprojekte, die in anderen Städten positive Auswirkungen gezeigt haben. Doch eine Umsetzung wird immer wieder verschoben.[35] Was klar erkennbar ist, ist das der SSVUlm bei Pokalspielen und Derbys ein deutlich höheres Zuschauer:innen- und Gewaltpotential hat als bei Liga- und Auswärtsspielen. Im Durchschnitt waren bei Spielen der Regionalliga Südwest in der Saison 2018/2019 1.700 Zuschauer:innen, bei der aktuellen Saison 2019/2020 sind es sogar nur 1.300 Zuschauer:innen gewesen.[36] Im Vergleich dazu die Zahlen bei den Spielen mit den am Anfang erwähnten Vorfällen:
– Am 28.04.2016 Heimspiel gegen SSV Reutlingen – 3.620 Zuschauer:innen, davon circa 3.100 SSV Ulm Fans.
– Am 21.05.2018 WFV-Pokalfinale gegen TSV Ilshofen – 3.370 Zuschauer:innen, davon
circa 2.000 SSV Ulm Fans.
– Am 10.08.2019 Beim DFB Pokalspiel gegen 1.FC Heidenheim – über 18.000 Zuschauer:innen, davon circa 16.000 SSV Ulm
Fans. [12]
Ein Zusammenhang zwischen Derbys und großenSpielen mit Gewalttaten und extrem rechten Äußerungen scheint zu bestehen. Bei Betrachtung der Hooliganszene und der
Vorfälle wird klar, dass es keine neuen Gruppen sind, die auffallen, im Gegenteil: Die Uniteds Ulm wurde 1997 gegründet, die Donau Crew 2009 und die Pubboys, die seit dem
Jahr 2017 im Stadion erkennbar auftreten. Nicht jedes Mitglied dieser Gruppen kann
pauschal als extrem rechts bezeichnet werden, aber es kann von einer jahrelangen Kontinuität, Duldung und einem Wegsehen gesprochen werden. Es gibt immer wieder Stimmen aus der SSVFanszene, die betonen, dass es nur einige wenige Rechte sind. Dieser Aussage stimmen wir zu, es sind einige wenige auffallende Fans. Doch wenn die Fanszene das zeigen möchte, dann sollten sie sich auch nach außen hin wahrnehmbar dagegen positionieren. Spätestens wenn Solidaritätsbekundungen im Stadion für Personen gezeigt werden, die wegen versuchten Mordes an einer Familie in U-Haft sitzen, muss
dagegen öffentlich reagiert werden. Wenn man sich mehrere Spiele im Stadion
ansieht, ist erkennbar, dass die Hooligans Fangesänge angeben und dominant sind. Die
anderen Fans gehen nicht gegen sie und ihre Banner und Gesänge vor und scheinen Angst
davor zu haben, sich mit dem Problem in ihrer Kurve auseinanderzusetzen. Diese Angst zu überwinden und das Schweigen zu brechen, ist von außen leichter gesagt als getan. Es ist anstrengend und herausfordernd und vermutlich nicht ungefährlich diese Zustände anzugehen und zu bekämpfen. Doch gerade in diesen Zeiten ist es bitter notwendig, insbesondere aus der Fanszene.

Quellen:
[12] Bericht der Facebookseite „Unterwegs in Sachen Fußball“ veröffentlicht
am 11.08.2019:https://www.facebook.com/media/set/?set=a.2887164134692016&type=3 undhttps://www.facebook.com/permalink.php?id=151354851606305&story_fbid=2888444667897296
[20] Die Bilder entstammen alle von Profilen von SSV Ulm Fans in den sozialen
Netzwerken, vor allem Facebook.
[21] In der Zeitschrift „Partisan, Antifa-Jugendinfo für Ulm und Neu-Ulm“
Nr.2 aus dem Jahr 1999
[22] Artikel von Vice am 29.12.2016:
https://www.vice.com/de/article/mg8vep/das-worst-of-der-fan-aktionen-
2016-123https://www.vice.com/de/article/mg8vep/das-worst-of-der-fanaktionen-
2016-123https://www.vice.com/de/article/mg8vep/das-worst-ofder-
fan-aktionen-2016-123
[23] Artikel vom Blog Sogenannte Hopper veröffentlicht am 02.05.2016:
https://sogenannte-hopper.com/2016/05/02/ssv-ulm-1846-vs-ssvreutlingen-
05/
[24] Artikel von der Südwestpresse veröffentlicht am 09.06.2018:
https://www.swp.de/suedwesten/staedte/ulm/der-verein-darf-nichteinfach-
wegschauen-26950248.html
[25] Artikel in der Schwäbische Zeitung veröffentlicht am 29.08.2019:
https://www.schwaebische.de/landkreis/alb-donaukreis/
erbachartikel;􀀀fackel 􀀀 angriff 􀀀 auf 􀀀 roma 􀀀 familie 􀀀
tatverd%C3%A4chtiger 􀀀 frei 􀀀 m%C3%B6gliche 􀀀 verbindung 􀀀 in 􀀀
fu%C3%9Fball 􀀀 fanszene 􀀀a rid; 11104868:html
38
[26] Artikel von der Südwespresse veröffentlicht am 30.08.2019:
https://www.swp.de/suedwesten/landkreise/alb-donau/brennende-fackelauf-
roma-geworfen-17-jaehriger-vorerst-aus-untersuchungshaftentlassen-
32861979.html
[27] Statment der Fangruppen Nebulosa Imperio und Supporters 99
veröffentlicht im Mai 2016:

Stellungnahme Derby


[28] Artikel vom Antifainfolatt veröffentlicht am 28.05.2015:
https://www.antifainfoblatt.de/artikel/neonazis-morden-%E2%80%94-
auch-baden-wu%CC%88rttemberg
[29] Blogeintrag zu Arnhold Eberhard:
http://unvergessen.blogsport.de/arnold-eberhard/
[30] Facebook-Posts der Untideds Ulm vom 24.05.2018:
https://www.facebook.com/permalink.php?storyf bid = 1986820031360484id =
152808828094956
[31] Leak der OPOS Kundendaten veröffentlicht am 06.01.2015:
https://web.archive.org/web/20150106233413/https://linksunten.indymedia.
org/de/node/
131189
[32] Artikel vom Projekt das Versteckspiel zu OPOS Records Marken:
https://dasversteckspiel.de/die-symbolwelt/bekleidung-undmarken/
greifvogel-wear-179.html und
https://dasversteckspiel.de/die-symbolwelt/bekleidung-und-marken/
one-family-181.htmlhttps://dasversteckspiel.de/diesymbolwelt/
bekleidung-und-marken/one-family-181.html
[33] Bild:
Rechtsrock-Konzert Themar 021
72157683640276843/
[34] Webseite der Donau Crew: https://donaucrew.beepworld.de/
[35] Artikel von der Südwespresse veröffentlicht am 15.08.2019:
https://www.swp.de/suedwesten/staedte/ulm/ssv-ulm-1846-fussballstadt-
ulm-legt-fanprojekt-auf-eis-32403489.html
[36] Entwicklung der Besucherzahlen des SSV Ulm 1846:
https://www.transfermarkt.de/ssv-ulm-
1846/besucherzahlenentwicklung/verein/69