Allgemeines

Im vergangenen Jahr sind einige Aktivitäten von Reichsbürger:innen in Ulm vorgefallen bzw. öf-
fentlich geworden.Generell lehnen Reichsbürger:innen die Bundesrepublik ab. Grundlegend für die Reichsideologie sind, laut der Amadeu Antonio Stiftung, folgendes. Das Grundgesetzt sei keine Verfassung und wäre nicht direkt demokratisch legitimiert bzw. sei auch gar nicht mehr gültig. Außerdem sei Deutschland kein souveräner Staat und es gäbe keinen Friedensvertrag. Deutschland sei viel mehr eine Firma. (1)

Die Szene ansich ist sehr heterogen. Einzelne Gruppierungen und Anhänger:innen der Ideologie mögen nicht alle Punkte vertreten. Es gibt offen extreme Rechte, die eine Reichsregierung in Tradition des Kaiserreichs, der Weimarer Republik oder des NS-Regimes propagieren, Reichsbür-
ger:innen, die eine neue Reichsregierung anstreben, Selbstverwalter:innen, die ihre eigenen Reiche/Staaten gründen und Soveränist:innen, die die Souveränität der BRD nicht anerkennen und
sich für ein anderes Deutschland einsetzen. Auch hier gibt es Überschneidungen. Diese Einteilung dient lediglich dem Verständnis der Breite des Spektrums. Generell finden sich bei Reichsbürge-rideologien Berührungspunkte zu Antisemitismus, Faschismus und Rassismus. (2)

Reichsbürgertum ist in Süddeutschland nichts neues. Laut einer Drucksache des Landtages Baden-Württenberg aus dem September 2020 sind Sicherheitsbehörden rund 3200 Reichsbürger:innen in Baden-Württenberg und rund 4000 in Bayern bekannt. 3 Genau wie die Szene ist auch die Gewaltbereitschaft in ihr nicht einheitlich gleich. Doch gibt es Reichsbürger:innen, die Waffen besitzen. 2018 gab es in Baden-Württemberg 53 Reichsbürger:innen, die legal Waffen besaßen. Die Vermutung liegt nahe, dass die Dunkelziffer an illegalen Waffen hoch ist. Meistens fallen Reichs-
bürger:innen durch falsche Ausweisdokumente und durch Konflikte mit Behörden auf. (4)

Im Rahmen von Ermittlungen der Behörden im Reichsbürgermilieu kam es im Mai 2020 zu Haus-
durchsuchungen bei verschiedenen Reichsbürger:innen in Baden-Württemberg und Hessen. Auch in der Ulmer Innenstadt wurde ein Objekt mit schwer bewaffneten SEK-Einheiten durchsucht. Den Beschuldigten wurden u.a. Sachbeschädigung und Urkundenfälschung vorgeworfen. Bei den Durchsuchungen wurden neben Blankodokumenten und Drogen auch Waffen gefunden. (5)

Im Winter gab das Bundesverteildigungministerium bekannt, dass gegen acht zivile Mitarbeitende der Bundeswehr in Ulm seit über einem Jahr vom MAD ermittelt würde. Sie ständen im Verdacht dem Reichsbürgermilieu anzugehören. Die Personen hätten in der Abteilung „Zentrum für technisches Qualitätsmanagement des BAAINBw“ auf dem Gelände der Firma Hensoldt in der Weststadt gearbeitet. Einer der Hauptverdächtigten, Eugen W., war Chef der Abteilung mit insgsamt 20 Mitarbeiter:innen. Bis 2004 war er beim BND beschäfftigt und unterhielt wohl weiterhin Kontakte mit drei Mitarbeiter:innen dort. Eugen W. suizidierte sich nach seiner Befragung durch den MAD. Er wohnte in Krumbach und war dort in das Gemeindeleben integriert. Er war in der Wasserwacht, Faschingsverein, aber auch im Schützenverein engagiert. Anwohner:innen berichten, dass ihnen nichts ungewöhnliches an ihm aufgefallen sei. Außer Äußerungen wie „Leute, glaubt nicht alles. Vieles ist nicht so, wie es an die Öffentlichkeit kommuniziert wird.“ (6)

Gemeinwohlkasse

Am 01.09.2020 wurde in Ulm die „Gemeinwohlkasse“ eröffnet. Neben dem Filialleiter Mario Gar-
ro ist der bekannte Akteur des Reichsbürgermilieus und selbsternannte König des Königreiches
Deutschland (Kurz KRD) Peter Fitzek ebenfalls Teil des Projekts.

Bereits zwischen 2013 und 2017 hatte Peter Fitzek versucht eine Bank ähnlicher Struktur für das KRD aufzubauen. Damals zahlten 600 Kund:innen insgesamt 1,7 Milionen Euro in die „Königliche Reichsbank“ ein, wovon 1,3 Milionen abgehoben wurden. Der Verbleib des Geldes ist bis heute ungeklärt. Die Gemeinwohlkasse scheint ein erneuter Versuch ein Finanzierungssystem für das KRD aufzubauen. (7)

In der Gemeinwohlkasse in Ulm müssen Kund:innen des Geschäfts laut Presseberichten ihren Beitritt zum KRD bekunden und können dann Geld einzahlen und in E-Mark tauschen. E-Mark ist eine elektronische Währung, die bereits die „Königliche Reichsbank“ anbot. (8)

Garro ist seit dem 05.04.2020 Direktor der Gemeinwohlkassen AG (bis Mai 2020: Reichssparkasse AG) mit Sitz in einem unscheinbaren Haus mit Briefkasten in Großbritannien. Vermutlich wurde das Projekt in Ulm ab Frühjahr 2020 vorbereitet. Zuvor war Garro Privatkundenberater bei der Volksbank Raiffeisenbank in Laupheim und Autor von sprituell-finanziellen Lebensberaterbüchern. (9)

Fitzek trat immer wieder mit anderen extrem rechten Personen, wie dem Chef des Compact-
Magazins Jürgen Elsässers, in Erscheinung. In einem Interview zwischen Fitzek und Nikolai Nehrling, einem verurteilten Holocaustleugner, der im extrem rechten Spektrum als Medienmacher unter dem Pseudonym „Volkslehrer“ unterwegs ist, bezeichnet dieser Fitzek als „alten Bekannten“ und ruft zum Eintritt in das Königreich Deutschland auf.

Fitzek ist seit der Eröffnung der Bank häufiger in Ulm anzutreffen. Ende Oktober fand ein Vortrag in den Räumen der Gemeinwohlkasse mit Fitzek statt. Aufgrund des großen Andrangs wurde der Vortrag an dem Tag zwei mal gehalten. Zum ersten Termin kamen etwa 30 Personen.

Ein weitere KRD-Personalie der Ulmer Region sind Georg Schöll und seine Firma Solar Energy. Ihr Sitz ist in der Sonnenstraße 2 in Berghülen bei Blaubeuren. Dort finden Veranstaltungen von KRD statt z.B. Ende Juni 2019 ein Vortrag von Fitzek. Außerdem tritt Georg Schöll auf KRD Veranstaltungen wie im September 2020 auf der Gemeinwohl Messe auf.

Weitere

Im Rahmen der Pandemie fanden Verschwörungsideologien und auch damit auch solche aus der Reichsbürgerszene massenhaft Verbreitung über soziale Medien, insbesondere Telegram und Youtube. Auf Querdenken-Veranstaltungen tauchten immer wieder Reichsbürger auf, manchmal sogar auf der Bühne. So trat Stephan Bergmann im Sommer in Ulm bei einer Kundgebung auf dem Münsterplatz auf. Bergmann ist Mitbegründer des extrem rechten Reichsbürgervereins Primus inter Pares. 10 Im November sprach Daniel Langhans auf dem Münsterplatz davon, dass Deutschland kein souveräner Staat sei. Daniel Langhans trat auf zahlreichen Veranstaltungen in Ulm und Umgebung und auch darüber hinaus auf.

Ob Ulm nun ein Zentrum der Szene ist, ist schwer zu sagen. Doch die Häufung der Aktivitäten und v.a. die Eröffnung der Gemeinwohlkasse in der Innenstadt sprechen durchaus für ein gewisses Publikum in der Region.

Quellen:

1 – Publikation Amadeo Antonio Stiftung ‘»Reichsbürger« und Souveränisten’ 2019

2 – Reichsbürger – Die unterschätzte Gefahr Hrsg. Andreas Speit

3 – Landtag Baden-Württemberg,, Drucksache 16/8745 vom 03.09.2020: https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP16/Drucksachen/8000/16_8745_D.pdf

4 – „Reichsbürger – Die unterschätzte Gefahr“ Hrsg. Andreas Speit

5 – Artikel „Polizei durchsucht Wohnungen in Ulm – SEK im Einsatz“ in der SWP am 27.05.2020: https://www.swp.de/suedwesten/reichsbuerger-razzia-bw-polizei-durchsucht-wohnungen-in-ulm-46560464.html

6 – Artikel „Tod eines Verdächtigen“ in der TAZ am 08.12.2020: https://taz.de/Extremismus-in-der-Bundeswehr/!5737238/

7 – Artikel „Fitzek beteuert Unschul – König von Deutschland bleibt in Haft“ in Kölnische Rundschau am 21.10.2016: https://www.rundschau-online.de/news/aus-aller-welt/fitzek-beteuert-unschuld–koenig-von-deutschland–bleibt-in-u-haft-24954866

8 – laut Angaben auf der Gemeinwohlkassen Webseite

9 – https://www.northdata.de/Gemeinwohlkasse

10 – Artikel „Radikale geduldet“ in der Zeit am 08.09.2020: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-09/querdenken-bewegung-michael-ballweg-corona-demos-berlin-initiator/seite-2

Abbildung 7 : Screenshot von https://www.swp.de/suedwesten/staedte/ulm/reichsbuerger-ulm-
reichsbuergerbe wegung-gemeinwohl-kasse-koenig-vondeutschland-peter-fitzek-eroeffnet-bankfiliale-in-ulm-51032126.html
Abbildung 8 : YouTube Kanal von Königreich Deutschland