In einer Erklärung des französischen Innenministeriums wurde heute bekannt gegeben, dass die Gruppe Génération Identitaire (GI) in Frankreich verboten wurde. Die GI ist eine der Vorläuferorganisationen der Identitären Bewegung (IB) in Österreich, Deutschland und Europa. Die Génération Identitaire ist international gut vernetzt, auch mit Verbindungen zur Identitären Bewegung Schwaben (IBS). Im Folgenden betrachten wir kurz aus dem Blickwinkel Süddeutschlands das Verbot, die Reaktionen und mögliche Auswirkungen.
Als Begründung argumentierte das Innenministerium die Ideologie der Identitären würde zu Hass, Gewalt und Diskriminierung gegenüber Menschen aufgrund ihrer Ethnie und Herkunft anstiften. Desweiteren wurde die Gruppe als private Miliz eingeschätzt. Dabei wurde insbesondere auf mehrere Aktionen unter dem Motto „Defende Europe“ 2017 im Mittelmeer, 2018 in den Alpen und 2018 in den Pyrenäen verwiesen. Bei diesen wurde symbolisch an Grenzen patrouliert, um illegale Einwanderung zu verhindern. Die Verbindung der IB zum extrem rechten Attentäter von Christchurch, der Geld an die IB in Österreich spendete, wurde als weiteres Argument für das Verbot angeführt. Im Rahmen des Verbotsverfahren wird in französischen Medien berichtet, dass der Täter nicht nur Spender der IB Österrreich und IB Deutschland, sondern auch Ehrenmitglied der Génération Identitaire gewesen sei.
Verbindungen von Frankreich nach Schwaben, von Paris nach Ulm
Bei den Defende Europe Aktionen waren auch Personen der Identitären Bewegung Schwaben (IBS) beteiligt: 2018 in den Alpen waren es zum Beispiel die Führungspersonen der IBS Sven Engeser und Jonathan Rudolph.
Mehrere Mitglieder der IBS, auch aus dem Raum Ulm, nahmen in den Jahren 2016, 2017 und 2018 an internen Treffen der GI teil, wie der sogenannten Sommer-Universität.
Außerdem nahm laut eigenen Angaben mindestens ein Aktivist der IBS aus dem Raum Stuttgart an der Demonstration in Paris am 20.02.21 teil, zu der die GI im Zuge des drohenden Verbotes aufgerufen hatte.
Insgesamt ist erkennbar, dass neben der Ideologie auch organisatorische und persönliche Verbindungen zwischen der IBS und der GI bestehen.
Zu Mitgliedern verschiedener Ortsgruppen in Süddeutschland gibt es mehrere detaillierte Veröffentlichung von Antifaschist:innen wie Ulm, Bodensee oder Augsburg.
Reaktionen auf das Verbot in Süd-Deutschland
Bereits vor dem Verbot gab es eine Reaktion in Form einer Solidaritätsbekundung in Ulm, die wahrscheinlich am Wochenende 20/21.02.21 stattfand. Dabei wurde ein Transparent mit der Inschrift „Heimatliebe ist kein Verbrechen – Liberté pour la Génération Identitaire“ gezeigt, Pyrotechnik abgebrannt, eine Art Redebeitrag gehalten und Parolen gerufen. Mindestens 14 Personen waren beteiligt. Die Reste davon waren in den Tagen darauf noch sichtbar.
Inszeniert wurde dies als eine Art Spontandemonstration der Ulmer Ortsgruppe der IBS. Tatsächlich waren, wie bei den allermeisten Aktionen der Identitären, der Großteil der Teilnehmenden extra aus verschiedenen Städten angereist. Einige reisten aus München (wie Annie H.) oder dem Raum Stuttgart an. Nur zwei Personen, die wir der Ortsgruppe Ulm zuordnen, waren zu identifizieren.
Von einer Spontankundgebung kann also keine Rede sein, sondern eher einer einstudierten Social Media Choreografie. Die Aktion zeigt beispielhaft wie Identitäre symbolische Aktions-Fotos über tatsächliche Außenwirkung stellen, zu sehen auch in der Ortswahl der Kienlesbergbastion am Michelsberg. Dabei handelt es sich um eine spärlich bewohnte Umgebung, allerdings mit Panoramablick auf das Münster, welches sie mit mindestens drei Personen fürs Filmen und Fotografieren in Szene setzten. Das macht den Hauptfokus deutlich, Bilder für Social Media zu generieren.
Auswirkungen
Auffällig ist, dass die Mitglieder bei der Solidaritätsaktion in Ulm mit Schlauchschals zum Teil vermummt sind. Dies ist ungewöhnlich, da bisher besonders in Süddeutschland Mitglieder der IBS betont offen zu ihrem Aktionismus standen.
Ob das Verbot in Frankreich eine Auswirkung auf deutsche Sicherheitsbehörden hat, ist unklar. Die Argumentation des französischen Innenministeriums ist inhaltlich jedoch komplett übertragbar auf die deutschen Gruppen. Besonders brisant ist die neue Information, dass der Täter von Christchurch Ehrenmitglied der GI war. Die IBS hat sich mit ihrer Aktion mit einer Gruppe solidarisiert, von deren Mitgliedern diverse Gewalttaten verübt und Attentate begangen wurden. Der Anschlag von Christchurch mit 55 Toten ist hierbei das drastischste Beispiel, wozu die extrem rechten Ideologie-Elemente der Identitären führen können.
In den letzten Jahren nehmen staatliche Repression und Sperrungen im Internet gegenüber verschiedenen identitären Gruppen auch deswegen zu. Die IB hat viele ihrer Kanäle und damit ihrew Reichweite verloren. Doch Verbote bedeuten nicht zwangsläufig ein Ende einer Organisation, wie beispielsweise bei den neonazistischen Strukturen von Blood&Honor erkennbar ist.
Eine mögliche Entwicklung ist eine Radikalisierung der verschiedenen Gruppen der Identitären Bewegung.